Eine neue Roman-Idee
Das hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt, als ich mein Jahr plante. In Meine Schreibziele 2022 habe ich zwei große Projekte geplant: Ich wollte einen Fantasy-Roman (im ersten Halbjahr) und einen Liebesroman (im zweiten Halbjahr) schreiben. Dazu kommen natürlich noch die Kurzgeschichten für den phantastischen Montag.
Nun ist das erste Halbjahr schon halb rum. Ideen gewälzt habe ich natürlich, aber festlegen konnte ich mich nicht. Bedeutet doch eine Entscheidung für das eine Projekt unweigerlich, dass ich dafür ein anderes sausen lassen muss. Logisch.
Aber welches Projekt soll ich nehmen, welches ist am erfolgversprechendsten? Welches wird auch Leser*innen finden, ganz zu schweigen von interessierten Verlagen? Welches macht mich am meisten an, welches brennt mir gründlicher unter den Nägeln als alle anderen?
Ich konnte mich lange nicht entscheiden. Dann ist mein Vater gestorben und erst mal stand alles still.
Jeder der geht
belehrt uns ein wenig
über uns selber.
Hilde Domin
Plötzlich rückt der eigene Tod ganz nahe. Und mit ihm die Fragen. Was mache ich hier, wie mache ich es, ist es das, was ich wirklich will? Und was will ich überhaupt?
Ich stelle meinen Weg infrage, meine Beschäftigungen, meine Ziele. Ich hadere mit meinen Ängsten, meiner Einsamkeit. Und ich möchte noch ganz andere Geschichten schreiben.
If there’s a book that you want to read, but it hasn’t been written yet, then you must write it.
Ich habe es mir einfach gemacht. Bin schreibend in Fantasywelten eingetaucht, habe mich in Liebesromanen wohlgefühlt. Nichts dagegen einzuwenden, ganz und gar nicht. Ich liebe die Phantastik und das romantische Herzklopfen ebenfalls.
Aber an die richtig großen Themen, an das ‚ernsthafte‘ Schreiben, habe ich mich nicht herangetraut. Wobei ich da wohl, zugegeben, auch ein wenig der irrigen Meinung aufgesessen bin, dass Fantasy- und Liebesromane keine ‚ernsthafte‘ Literatur wären. Bullshit. Wer z. B. schon mal Terry Pratchett gelesen hat, weiß das.
Dann bekam ich Ursula K. LeGuins Buch Am Anfang war der Beutel in die Finger. Ihre Tragetaschentheorie des Erzählens hat bei mir im Kopf so einiges ausgelöst (mehr dazu hier) und eine neue Buchidee machte sich hartnäckig bemerkbar.
Ich habe meinen Vater auf dem Friedhof besucht und mit ihm gesprochen. Was er davon hielte, wenn ich alle meine Pläne umwerfen und mich für den Rest des Jahres diesem Projekt widmen würde. Er hat nicht geantwortet. Ein paar Meter weiter weg rauschten Autos die Straße runter. Neben mir hüpfte eine Amsel über den Kiesweg und beäugte mich neugierig. Auf der Holzbank, auf der ich saß, wuchsen dunkelgrüne, weiche Moospäckchen.
Wir sind nur einmal hier. Das ist keine besonders neue oder originelle Erkenntnis. Und doch vergesse ich es jeden Tag, immer wieder.
Einfach mal nicht an Verlage, Leser*innen und Verkäuflichkeit denken. Einfach mal schreiben, was mir so im Kopf rumspukt. Es darauf ankommen lassen. Etwas wagen. Einen ‚richtigen‘ Roman schreiben. Mit Fantasy-Elementen, warum auch nicht. Stichwort magischer Realismus.
Was habe ich denn schon zu verlieren?
Ich möchte es doch wenigstens versucht haben, bevor ich abtrete. Und da ich im Juli bereits 60 Jahre alt werde, sollte ich langsam mal damit anfangen (die Shortstorys für den phantastischen Montag werde ich natürlich trotzdem noch weiter schreiben).
Los gehts.
PS Ich werde in meinem Newsletter regelmäßig davon berichten.