Bettina Kerwien: Tot im Teufelssee

Bettina Kerwien: Tot im Teufelssee

Berlin, im November 1976. Der Kriminalkommissar Peter Kappe hat es mit einem Fall zu tun, der ihm an die Nieren geht: ein totes Baby im Grunewalder Teufelssee.

„Weidenkätzchen flattern im Mondlicht am windstillen Ufer wie die Totenhemden ruheloser Seelen.“

Aber war es Mord? Der §218 ist gerade reformiert worden, aber ein Abbruch nur in den ersten zwölf Wochen möglich.

Kappe ermittelt und befasst sich mit:

Einer Ärztin, die in Not geratenen Frauen hilft (früher auch schon mal auf dem Küchentisch daheim).

Der (schwangeren) Frau des Kultursenators, Mildburg von Moll, mit einem Lächeln „…so schlank und aufpoliert wie eine Neun-Millimeter-Patrone.“

Deren verschwundenem Hausmädchen Christa.

Der Leiterin des ersten Berliner Frauenhauses, die aufgrund schlechter Erfahrungen absolut gar nichts mehr von Männern hält (und gerne mal ein Messer schwingt).

Kappe ist studierter Psychologe und weder so zynisch noch abgebrüht wie manche seiner Kollegen. Er hat großes Verständnis. Trotzdem blickt er erst mal nicht durch.

„Kappe ist kein großer Schachspieler, aber hier sind ganz eindeutig zu viele Damen mit von der Partie.“

Einige dieser Damen lesen das neue ‚Streit‘ Magazin und sind wütend.

Kein Wunder, denn:

„Von Gesetz her ist die Frau in erster Linie zur Haushaltsführung und der Mann zur finanziellen Unterstützung der Familie verpflichtet. Eine verheiratete Frau ist nicht zu hundert Prozent geschäftsfähig. Der Ehemann kann sogar gegen den Willen seiner Frau ihren Arbeitsvertrag kündigen oder ihr Konto auflösen.“

Und Vergewaltigung gibt es in der Ehe schon mal gar nicht.

Auch privat hat Kappe so seine Probleme. Er observiert vor dem Lokal ‚Zwiebelfisch‘, denn seine Frau hat einen anderen, der aussieht „wie Partytime Ken, der Freund der Barbiepuppe.“ Kappe resümiert: „Ein Zwiebelfisch ist in der Sprache der Drucker ein Buchstabe, der nicht zu den übrigen Typen passt. Wie Kappe.“

Kappe schlägt sich durch und die Autorin lässt das Berlin der siebziger Jahre lebendig werden.

Das Internationale Congress Centrum wird gerade gebaut: „Die Außenhülle steht schon und erinnert an eine Brotdose. Keiner weiß, wofür West-Berlin das ICC braucht.“

Am Ku‘damm hat die erste deutsche Burger-King-Filiale eröffnet. Rio Reiser besingt den Mariannenplatz, blau vor lauter Bullen und Kappes Frau duftet nach Charlie von Revlon (für die unabhängige Frau).

Am Ende war alles ganz anders als gedacht (wie es sich für einen guten Krimi gehört) und eine jungfräuliche Empfängnis gibt es unterwegs auch noch.

Bettina Kerwien handhabt ihr Personal gewohnt souverän und mit ihrem unnachahmlichen, ganz speziellen Humor. Mich hat diese Geschichte sehr gefesselt und auch ziemlich mitgenommen. Ein kurzweiliges Lesevergnügen mit ordentlich Tiefgang. Das hallt noch nach.

Mein Fazit: unbedingt Lesen, es lohnt sich.

 

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