Ein höllischer Weihnachtswunsch
Zu Weihnachten hat Mäxchen sich einen Dämon gewünscht. Bekommen hat er stattdessen ein Buch (Einführung in die Philosophie), einen Rubik-Würfel, ein zehnbändiges Brockhaus-Lexikon und eine Büchse voller Studentenfutter.
„Und wo ist mein Dämon?“ Mäxchen sucht vergeblich unter dem lichterblinkenden Tannenbaum.
„Der Junge kommt immer auf Ideen“, sagt Mutter und isst einen Dominostein.
„Das liegt an deiner Seite der Familie!“, behauptet Vater und trinkt Glühwein.
Mäxchen seufzt.
Vater legt eine Schallplatte auf: das Weihnachtsoratorium von Bach. Mutter schließt entzückt die Augen, Vater trinkt mehr Glühwein. Mäxchen blättert im Brockhaus. D wie Dämonen. Wilde Kreaturen, höllische Ausgeburten, haben nichts als Unsinn im Sinn. Mäxchen hätte auch gerne Unsinn im Sinn. Oder wenigstens einen Freund, mit dem er auch mal herumtoben kann.
Weil Mäxchen nämlich nichts darf.
Seine Eltern sind nicht mehr die Jüngsten. Sie nennen Mäxchen ihre späte Überraschung, ihr kleines Glück, und sie achten sorgfältig darauf, dass dem kleinen Glück nichts zustößt.
Wenn er auf Bäume klettert, regt Mama sich auf. Wenn er mit aufgeschürften Knien nach Hause kommt, macht sie sich Sorgen über Wundinfektionen und manchmal weint sie sogar.
„Jungs sind Jungs“, sagt Papa.
Aber auch seine Stimme klingt besorgt. Papa arbeitet bei einer großen Universität und Zuhause bringt er Mäxchen Schachspielen bei.
„Auf Bäume klettern bringt nichts und rohe Gewalt löst keine Probleme“, pflegt er zu sagen. „Trainiere deinen Verstand, nicht deine Muskeln.“
„Sei ein guter kleiner Junge“, bittet Mutter.
Mäxchen seufzt.
Er nimmt den Rubik-Würfel mit ins Bett und dreht so lange daran herum, bis eine der Seiten rot ist. Rot wie die Hölle, wo die Dämonen wohnen. Mäxchen schläft ein und träumt … nichts. Als er am nächsten Morgen erwacht, ist die Welt unter einer weißen Decke verschwunden.
„Es hat geschneit!“
Mäxchen stürmt die Küche.
„Pssst!“, macht Mama.
Papa hat Kopfschmerzen und Mama Bauchweh. Die Stimmung ist gedämpft. Mäxchen nutzt das gnadenlos aus.
„Darf ich rausgehen?“
Schnee ist weich, Schnee ist ungefährlich. Papa nickt müde. Mutter steckt Mäxchen in den Schneeanzug und schärft ihm ein, ja im Garten zu bleiben und keinen Blödsinn zu machen.
Mäxchen baut einen kleinen Schneemann. Er müht sich gerade mit dem Kopf ab, als er bemerkt, dass er beobachtet wird. Auf der anderen Seite des Zaunes steht ein Junge, ungefähr in seinem Alter. Er trägt einen roten Schneeanzug, hat strubbelige schwarze Haare und zittert.
„Kalt?“, fragt Mäxchen.
Der Junge nickt. „Wo ich herkomme, ist es viel wärmer.“
„Ich weiß, wie wir uns aufwärmen können“, strahlt Mäxchen und formt einen Schneeball. Der Junge grinst. „Das Gartentor ist offen.“
Sie haben eine großartige Schneeballschlacht, dann setzen sie dem Schneemann einen Kopf auf.
Mutter ruft Mäxchen zu heißem Kakao und Keksen herein.
„Wer ist denn dein neuer Freund?“
„Ich heiße Mephi. Wir sind gestern hergezogen.“ Er macht einen Diener. „Hocherfreut, ihre Bekanntschaft zu machen.“
Mäxchen kichert, Mutter ist begeistert.
„Was für ein reizendes, wohlerzogenes Kind. Komm doch herein, der Kakao reicht auch für zwei.“
Mephi zwinkert Mäxchen zu. Und einen Moment lang leuchten seine Augen dunkelrot.
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Das war mein Beitrag zum diesjährigen Christmas Special unseres Writers Coaching Kurses in der Berliner Humboldtbibliothek.
Ebenfalls zum Vortrag kam an diesem Abend u.a. Oh du gefährliche Zeihnachtsweit von Bettina Kerwien und Der wahre Geist der Weihnacht von Karim Pieritz.
Hier noch ein paar Bilder:
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